DOSB-Präsident Alfons Hörmann scheint die Misere personifizieren zu wollen. Der 59-Jährige, der am Sonntag als CSU-Politiker in die Stichwahl um den Landratsposten im Oberallgäu gehen wird, steht wegen Infektionsverdacht unter häuslicher Quarantäne. Der Ruf nach staatlicher Untersützung ist in dieser bisweilen surreal anmutenden Situation eigentlich unüberhörbar, doch steht zu befürchten, dass er vor dem Hintergrund der sonstigen ökonomischen Probleme im Land in der Politik zunächst einmal auf taube Ohren stoßen wird.
Es gibt wahrlich dringlichere Aufgaben. Der Sport, so akut gefährdet er auch sein mag, wird sich hinten anstellen müssen. Dies gilt zumal für den Spitzensport, der sich in den vergangenen Tagen und Wochen nicht mit Ruhm bekleckert hat. Das nicht enden wollende Gezerre um die Austragung der Olympischen Spiele in Tokio markierte den Gipfel kollektiver Konfusion.
Dass sich kurz vor der Verschiebung des Spektakels ins kommende Jahr drei Boxer bei einem irrwitzigen Qualifikationswettbewerb in London noch mit dem neuartigen Corona-Virus infiziert haben, lässt einen sprachlos zurück. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) ist desavouiert, seine ohnehin beschädigte Reputation ist dahin. Doch heißt das nicht, dass die Idee der Olympischen Spiele auf Dauer beschädigt sein muss. Die Faszination ist weltweit ungebrochen, in Paris und Los Angeles löste der Zuschlag für 2024 bzw. 2028 mehrheitlich Jubel, gar Euphorie aus.
Von solcher Begeisterung kann hierzulande keine Rede sein. Und nichts scheint derzeit nachrangiger zu sein, als die Spiele nach Deutschland zu holen. Noch leckt der Sport nach mehreren gescheiterten Bewerbungen seine Wunden, noch sind die Erinnerungen an die Abfuhr frisch, die sich der DOSB in der Bevölkerung von potenziellen Bewerberstädten wie München, Berlin oder Hamburg eingehandelt hatte.
Und angesichts der existenzbedrohenden Dimension der Corona-Pandemie herrschen aktuell andere Sorgen im deutschen Sport vor. Doch schadet es nie, den Horizont zu weiten und in die ferne Zukunft zu blicken. Der Sport wird wieder auf die Bein kommen, er wird sich mühsam berappeln. Olympische Spiele bedeuten eine gesellschaftliche Kraftanstrengung, aber sie wären perspektivisch der dringend benötigte Impuls, der auch im gebeutelten Breitensport Wirkung entfaltet.
Gedankenspiele um eine Bewerbung gibt es. Mit Berlin für die Spiele 2036 und damit 100 Jahre nach der unseligen Nazi-Propagandashow an den Start zu gehen, wäre ein verlockender Gedanke. Allerdings ist die Kandidatur in der Hauptstadt sehr schwer vermittelbar, und was das Ausland von einer typisch deutschen Nabelschau halten würde, steht dahin. Als Berlin Anfang der Neunziger schon mal ins Rennen geschickt wurde, vertrauten die Verantwortlichen auf den Glanz des Mauerfalls und der Wiedervereinigung - und flogen damit auf dem internationalen sportpolitischen Parkett böse auf die Nase.
Alternativ reifen in der Region Rhein-Ruhr Pläne heran, die auf 2032 oder 2036 abzielen. Dort wuchert man mit der Existenz zahlreicher olympiatauglicher Sportstätten, verspricht nachhaltige Spiele. Woran es der Region gebricht, ist der Glamour, mit dem sich das IOC gerne umgibt. Noch bleibt Zeit, eine Bewerbung zu konzipieren. Nur mal so ein Gedanke: Wie wäre es mit München?